Interview mit dem Maler Karl Gödel

Unsere Mitarbeiterin Ulla Lassein führte ein Gespräch mit Karl Gödel. "In allen Sparten zu Hause", sagen die einen, "Von allen etwas, aber nichts richtig Eigenständiges" so sagen die anderen. Was ist dran? Kunst und Welt interviewte Karl Gödel kurz vor seiner Ausstellung "Die Unvollständigkeitsbilder" in der Londoner Tate Galery.

Herr Gö­del, wer­den Sie häu­fig auf ihren berühm­ten Großva­ter an­ge­spro­chen? Se­hen sie in ihrem Le­ben Par­al­le­len mit Lu­ci­an Freud, der eben­falls mit Sig­mund Freud ei­nen sehr berühm­ten Vor­fah­ren hat­te?

Gö­del: Ich wer­de recht we­nig auf mei­nen Großva­ter an­ge­spro­chen. Zur zwei­ten Fra­ge: Schwer zu beant­wor­ten, ob es Par­al­le­len gibt, dafür ken­ne ich Lu­ci­en Freuds Bio­gra­phie zu we­nig. Si­cher gibt es Ein­flüs­se durch mei­nen Großva­ter, an­ge­fan­gen mit dem Um­feld, ü­ber die Be­kann­ten und die Freun­de, de­ren Ge­spräche ich als Kind oft mit an­gehört ha­be, bis hin zu Bil­dern, die in un­se­rer Woh­nung hin­gen.

Frage: Man­che sa­gen, dass ih­nen der ei­ge­ne Stil feh­le. So wie Mon­dri­an oder Pi­cas­so ei­nen be­saßen.

Gö­del: Das in­ter­es­siert mich we­nig. Was mich in­ter­es­siert, das ver­fol­ge ich. Meis­ten ist es so­gar nur ei­ne va­ge Spur und ich las­se mich von ihr zie­hen. Meis­tens kommt nichts da­bei her­aus. Aber manch­mal führt es in un­be­kann­tes Neu­es. Das sind dann span­nen­de Mo­men­te. Wa­rum soll­te ich ei­nen be­stimm­ten Stil ha­ben? Damit ich auf dem Kunst­markt ei­nen Wie­de­rer­ken­nung­wert ha­be? Al­so für an­de­re? Für mich sind die Sa­chen auf ei­ne be­stimm­te Art fol­ge­rich­tig. Die­sem fol­ge ich.

Fra­ge: Ü­ber Kunst ist viel ge­re­det wor­den. De­fi­ni­ti­o­nen, gibt es hau­fen­wei­se. Was ist ih­re Auf­fas­sung da­zu?
Gö­del: Da ho­le ich ein­mal den Ge­dan­ken mei­nes Großva­ters her­vor. Egal wel­che Sys­te­me sie auf­bau­en, es gibt im­mer ma­the­ma­ti­sche Sät­ze, die nicht aus dem auf-ge­stell­ten Sys­tem ab­leit­bar sind und da­mit auch nicht gelöst wer­den kön­nen. Ich glau­be in der Kunst gilt dies be­son­ders. Oder so aus­ge­drückt: Gib ei­ne De­fi­ni­ti­on was Kunst ist, gib ei­ne Be­schrei­bung davon und ich wer­de et­was Her­stel­len, was mit den bis­her auf­ge­stell­ten Aus­sa­gen, Sät­ze nicht kom­pa­ti­bel ist, was aber nach ei­ner, oder meh­re­rer Men­schen ei­ne De­fi­ni­ti­on von Kunst ist. Und was auch ich als Kunst be­zeich­nen wür­de und wo ich glau­be, dass vie­le es als Kunst be­zeich­nen wür­den.

Fra­ge: Sie möch­ten al­so zei­gen, dass die­se Mei­nun­gen nicht vollstän­dig die Kunst be­schrei­ben kön­nen.
Kurt Gödel und Albert Einstein in Amerika
Gö­del: Ich glau­be, dass dies nicht mög­lich ist, trotz­dem ist es sinn­voll den Be­griff Kunst zu ver­wen­den. Bei mei­nem Großva­ter kommt die Wen­dung vor: ...das genü­gend reich­hal­tig ist, um die Arithme­tik in der üb­li­chen Wei­se auf­zu­bau­en, und das ü­berdies hin­rei­chend ein­fach ist... Dies passt auch auf vie­le Be­rei­che der Kunst. Genü­gend reich­hal­tig und hin­rei­chend ein­fach.

Fra­ge: Ist dann das Schwar­ze Qua­drat von Ma­le­witsch al­so kei­ne Kunst? Hin­rei­chend ein­fach ist das Bild von Ma­le­witsch ja, aber genü­gend reich­hal­tig? Wei­ter­hin, sa­gen vie­le, dass das Ü­ber­tra­gen der Gö­del­schen Sät­ze auf an­de­re Be­rei­che nur sehr schwer mög­lich ist.

Gö­del: Das Schwar­ze Qua­drat wird heu­te all­ge­mein als Kunst be­zeich­net und auch ich hal­te es für Kunst. Be­trach­tet man den Kunst­be­griff un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ori­en­tie­rung, dann könn­te man sa­gen: Hier ist ein Hau­fen von Ide­en und Vor­stel­lun­gen von vie­len Men­schen, die es an dem Schild „Kunst“ ab­ge­legt ha­ben. Zur Fra­ge, ob ei­ne Ü­ber­tra­gung mög­lich ist: Wenn Ge­dan­ken in ei­nem an­de­ren Be­reich frucht­bar ver­wer­tet wer­den, dann hal­te ich dies für sehr gut. Wenn die ur­sprüng­li­chen Ge­dan­ken dar­in nicht mehr vor­kom­men fin­den ich dies nicht wei­ter schlimm.

Fra­ge: Ist dies nicht rei­nes Schub­la­den­den­ken? Ein Den­ken, was die Kunst ge­ra­de ü­ber­win­den will?

Gödel: Nun, Schubladendenken ist meistens negativ besetzt. Aber es ist nichts weiter als ein systematisches Denken. Ein ordnendes Denken. Jemanden als ordentlichen Denker zu bezeichnen ist wiederum positiv besetzt.
Günstig ist es natürlich die Unterschiede zu beachten, die Besonderheiten. Etwas, was den Impuls zu neuen Gedanken offen hält. Fra­ge: Der Künst­ler malt, der Den­ker denkt, der Re­flek­tie­ren­de re­flek­tiert die Sa­chen. Wä­re es nicht gut, wenn sie als Künst­ler ein­fach nur Ma­len wür­den?

Gö­del: Da­ge­gen ist nichts ein­zu­wen­den, dass ein Künst­ler nur malt und nichts darü­ber sagt. Vie­le Künst­ler sa­gen zu ihren Wer­ken nichts, oder nur we­nig. Aber Men­schen sind mehr­di­men­si­o­nal. Es hat auch im­mer Künst­ler ge­ge­ben, die ge­malt ha­ben und re­flek­tier­ten, sich sprach­lich aus­drü­cken konn­ten.

Fra­ge: An wen den­ken Sie da­bei?

Gö­del: Le­sen sie zum Bei­spiel die Brief­wech­sel von Vin­cent van Go­gh, die Be­mer­kun­gen von Da­niel Rich­ter, ei­ni­ge Ma­ler ha­ben nicht nur ge­malt, son­dern auch gu­te Bücher ge­schrie­ben.

In­ter­view­erin Ul­la Las­s­ein: Ich dan­ke Ih­nen, dass Sie sich Zeit für die­ses Ge­spräch ge­nom­men ha­ben. (unten "Waldweg am Meer" Öl auf Leinwand)